Je älter,
desto besser
Sinah Hänßler-Hug läuft auch
mit 42 Jahren noch Bestzeiten
Von Claus Weber
Walldorf. Auf den Jubel folgte die Ent-
täuschung – und am Ende überwog der
Stolz. Als Sinah Hänßler-Hug über 200
m durchs Ziel flog, stoppte die Uhr bei
24,97 Sekunden. Die Sprinterin der SG
Walldorf Astoria hatte bei den süddeut-
schen Meisterschaften ihr großes Ziel er-
reicht, erstmals die 25 Sekunden ge-
knackt.DochimNachgangwurdedieZeit
auf 25,01 Sekunden korrigiert. „Schade,
das war eine Winzigkeit“, ärgerte sie sich
im ersten Moment, um dann aber doch
einverstanden zu sein. Immerhin war’s –
wieder mal – eine persönliche Bestzeit.
Was bemerkenswert ist, weil Sinah Hän-
ßler-Hug schon 42 Lenze zählt. „Die
meisten Konkurrentinnen könnten mei-
ne Töchter sein“, schmunzelt sie.
Deshalb war die Platzierung – am En-
de wurde sie 18. von 43 Starterinnen –
zweitrangig. „Ich laufe nur für mich“, er-
klärte die gebürtige Südbadenerin, „denn
in meinem Alter kann ich bei den Süd-
deutschen eh nicht mehr mit der jünge-
ren Konkurrenz mithalten.“ Dabei hatte
es bei den Badischen Meisterschaften im
letzten Jahr immerhin noch zu Gold und
Silber über 100 und 200 Meter gereicht.
In ihrer Altersklasse gehört Sina Hän-
ßler-Hug dagegen zu den Schnellsten in
ganz Europa. Bei der Masters-EM im März
holte sie Gold über 100 und 200 m, mit der
Staffel und dem Mixed-Quartett. Für die
WM der Oldies im August in Göteborg hat
sie das Ticket längst in der Tasche.
Vorher geht’s noch zur Deutschen
Meisterschaft
nach
Braunschweig.
Im
letzten Jahr sprang für die Walldorfer
Staffel Platz sechs heraus. Dafür war Si-
nah Hänßler-Hug vor zwei Jahren von
Lörrach in die Astorstadt gewechselt. „Ich
wollte noch einmal zu den deutschen
Meisterschaften der Aktiven, das konnte
ich hier mit der Staffel erreichen“, sagte
sie,„hierpasstalles:netteKolleginnenund
ein junger Trainer.“ Coach Mario Pars-
torfer ist begeistert von der zweifachen
Mama: „Sie schafft in ihrem Alter her-
ausragende Leistungen und verbessert
sich kontinuierlich.“ Erst mit 27 kehrte sie
demSalza-TanzdenRücken,widmetesich
der Leichtathletik. „Der Sport steht für
sie immer noch im Fokus“, so Parstorfer.
Seit kurzem sogar beruflich, denn neben
ihremJobalsVerpackungs-Designerinhat
sie sich als Fitness- und Ernährungstrai-
nerin selbstständig gemacht.
Genau halb so alt ist ihr Vereinskol-
lege Jan-Lukas Schröder, der am Sonn-
tag in 53,06 Sekunden als Vierter über 400
m Hürden die B-Norm lief und damit in
14 Tagen bei der DM in Braunschweig da-
bei sein dürfte. Eine beachtliche Leis-
tung. Immerhin war der Student der Luft-
und Raumfahrttechnik aus Baiertal nach
einem Sehnen-Anriss im Oberschenkel-
beuger bei der Hochschul-DM im Januar
drei Monate außer Gefecht. Es war die
erste größere Verletzung des 21-Jähri-
gen, der sich in seinen letzten Jahren als
Junior an die deutsche Spitze herange-
arbeitet hatte: Deutscher U20-Vizemeis-
ter über 400 m Hürden 2021 und Bron-
zemedaillengewinner bei der U21-EM mit
der 4x400 m-Staffel im gleichen Jahr.
Bei seiner ersten Männer-DM im letz-
ten Jahr in Kassel war im Vorlauf Schluss
– doch seine Zeiten hat er bis zur Ver-
letzung stets verbessert. Bis auf 52,70 Se-
kunden über 400 m Hürden.
Ob er die schon in zwei Wochen wie-
derholen kann? „Es hat lange gedauert,
bis ich wieder in vollem Umfang trai-
nieren konnte“, sagt Schröder, der in
nächster Zeit bei den Männern angreifen
möchte: „Die Universiade und vielleicht
auchmaleinEM-StartwäreneinTraum.“
Nr. 137 / Rhein-Neckar-Zeitung
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